Das Vorstellungsvermögen.
229
auch ganze Familien. Darum hüte dich vor Leidenschaften
und beherrsche sie, wenn sie in dir emporkommen! Eine starke
und beharrliche Leidenschaft nennt man Sucht, als: Habsucht,
Ehrsucht, Vergnügungssucht, Rachsucht, Herrschsucht.
Adalbert sah in einem Walde viele Pflanzen, deren vier
länglichrunde Blätter eine grosse schwarze Beere umschlossen.
Er pflückte eine ab, betrachtete sie, nahm etwas von dem
Safte auf die Zunge und fand ihn wohlschmeckend. Schon
war er im Begriff', sich an den schönen Beeren zu laben;
allein er dachte: „du kennst weder das Gewächs noch seine
Frucht; wenn nun diese schädlich wäre? — Lieber esse ich
sie nicht.“ Er that wohl daran; denn es war, wie er später
von seinem Lehrer erfuhr, die giftige Einbeere. Adalbert
wäre durch seine Sinne verleitet worden, etwas zu gemessen,
was ihm viel Leiden oder gar den Tod zugezogen hätte; aber
sein Verstand wendete das Unheil ab, indem er das Urtheil
fällte: eine unbekannte Frucht darf man nicht essen. Der
Knabe unterliess also etwas Angenehmes und vermied die unan-
genehmen Folgen, weil sein Wille dem Verstände folgte.
Ein Kaufmann soll Waaren in Breslau holen, da seine
Vorräthe bald zu Ende sind. Es ist Winter, die Kälte anhal-
tend und streng. Er könnte zwar noch einige Zeit warten
und in der warmen Stube bleiben; allein er beschlosst dennoch
die Reise und achtet nicht ans die rauhe Witterung. Er urtheile
nämlich: „es ist möglich, dass die Kälte zunimmt, und ich
muss dann doch reisen, wenn nicht Störung in meinem Handel
eintreten soll.“ Hier wird etwas Unangenehmes begehrt, um
in der Zukunft einen Vortheil zu erreichen. Wenn, wie in
diesem Beispiele, der Verstand über das Begehren entscheidet,
so besitzt unsere Seele ein verständiges Begehrungs-
vermögen. Dieses ist zwar mehrentheils auf eigenen Vor-
theil gerichtet und nicht immer zu billigen; indess hält es doch
oft vom Bösen ab, fördert das Gute und trägt zu unserer Ver-
vollkommnung bei, insofern wir uns anstrengen den Geist mit
Kenntnissen zu bereichern, um dadurch unser Fortkommen in
der Welt zu sichern.
Ein Arzt, der selbst nicht ganz gesund war, wurde zu
einem am ansteckenden Nervenfieber erkrankten Tagelöhner
gerufen. Es kam ihm sauer an, dem Verlangen zu genügen,
seines eigenen Uebelbefindens wegen. Er hatte auf keine
Belohnung zu rechnen, könnte angesteckt werden und sich
deu Tod holen. Alles dies überlegte er einen Augenblick.
Doch dachte er bald weiter: „dein Beruf fordert, dass du
dem Kranken wo möglich hilfst.“ Er folgte, trotz aller Mühe
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Amerika.
319
früher kleine Völkerschaften. Hirten gab es unter ihnen nicht,
wegen Mangels an Hausthieren. Der Feldbau beschränkte sich
nur auf nothdürftige Anpflanzungen von Mais und Maniok.
Fischerei dagegen und Jagd waren Hauptbeschäftigungen der mei-
sten. Zur Trägheit neigten sich fast alle, selbst die rüstig mun-
teren der kühlen Zone. Auffallend jedoch war die thierische Dumm-
heit der Fischervölker am Orinoko, im Vergleich mit der Rührigkeit
und dem aufgeweckten Geiste der nördlichen Jäger. Grausam
gegen ihre Feinde fand man sie sämmtlich; die meisten fraßen
ihre Gefangenen oder quälten sie zu Tode. Noch jetzt sind die
Völkerschaften Nordamerikas, die sich ins Innere zurückgezogen,
ihren Vorfahren ähnlich; noch jetzt kennen sie keine Staatsein-
richtung, als Gleichheit eines Jeden im Anrecht auf die Thiere
des Waldes, so weit ihr Jagdbezirk sich erstreckt; sie gehorchen
nur den Befehlen des Kühnsten, den sie zum Anführer wählen.
Das Weib ist bei ihnen dem stärkeren Manne dienstbar, zum
Lasttragen und Arbeiten bestimmt. Die Männer, wenn nicht
auf der Jagd oder im Kriege, pflegen fauler Ruhe; doch leicht,
von Leidenschaften gereizt, können sie in große Lebhaftigkeit gera-
then. Ihre Kriegstänze werden als ausdrucksvoll und schauder-
haft, und andere Tänze, womit sie die Aussöhnung zu feiern
pflegen, als leicht und unmuthig geschildert. Besonders rühmt man
an ihnen Liebe zum unabhängigen Vaterlande und Standhaftig-
keit im Leiden. In jener gleichen sie unsern deutschen Vorfahren;
in dieser nur sich selbst; denn nirgends ist man grausamer in
Peinigung Gefangener und also nirgends so zur Ertragung großer
Schmerzen aufgefordert. Darum prägen sie den Knaben ein,
jede Beleidigung müsse gerächt, jede noch so große Marter muthig
und lautlos erduldet werden. Hierin üben sie mehr als die alten
Spartaner. Ihre Religionsbegriffe waren und sind einfach. Sie
verehren den unsichtbaren großen Geist als den Beschützer der
Tapfern und Guten, und glauben an ein Leben nach dem Tode,
wo ewiger Frühling weht, wo die Wälder voll Wild, die Gewässer
voll Fische sind. Darum halten sie auch ihr Wort, sind treu
und gastlich, großer Gesinnungen und Handlungen fähig. Man
hat Reden ihrer Häuptlinge aufbewahrt, worin Kraft und Hoheit
der Gefühle bewundernswerth erscheint. In den ehemaligen
spanischen Besitzungen sind fast alle zum Christenthum bekehrt,
ganze Völker aber durch Krieg und grausame Unterdrückung
vernichtet worden. Große Landstrecken nehmen gegenwärtig
Abkömmlinge der Europäer ein; auch leben dort viele aus Afrika
hinübergeschiffte Neger als Sklaven.
Theile von Nordamerika sind: Grönland, wo nur
wenige zerstreut wohnende Menschen ein kümmerliches Leben
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Extrahierte Ortsnamen: Amerika Orinoko Nordamerikas Afrika Nordamerika
Die Schnecke.
445
schließen die Särge, und aus Schiffen und Wagen wandert nun der Todte
durch alle Welt. Weither kam er gezogen. Da, wo ^das Meer sich Paläste
aus Eis erbaut, die im Sonnenschein vom reinsten Silber erglänzen, wo
es Eisbrüäen schlägt, die von weißem Marmor aufgeführt scheinen: — von
dorther zog er wanderlustig nach dem wärmeren Süden. Als Todter hält
er nun seinen Einzug in Paläste und Hütten der Menschen , bei Reichen
und Armen, in Städten und Dörfern. Unter den Fischen ist der Häring
am wanderlustigsten. In großen Heereszügen bricht er aus. Der Haupt-
zug theilt sich bald in mehrere Arme. Der westlich gehende trifft schon im
Februar in den Buchten Islands ein. In der Nordsee theilt sich der
Schwarm wieder, und bald wimmelt's in allen Buchten von dem Grunde
des Meeres bis zur Oberfläche herauf, so daß diese von den heraufragenden
Rücken gekräuselt erscheint.
Die in dem Gedränge abgeriebenen Schuppen sehen die Fischer schon
aus weiter Ferne blinken; sie verrathen die Stelle, wo das Netz auszu-
werfen sei, das oft 100 Schritte lang ist und zwischen 2 Schiffen nieder-
gelassen wird. Der Laich wird von den Häringen nicht selten in einer sol-
chen Menge ins Meer gegossen, daß es davon sich trübt und die Netze wie
mit einer Rinde überzieht. Welch eine Summe von Häringseiern hat das
Meer jedes Jahr auszubrüten, wenn man bedenkt, daß ein einziger dieser
Fische 20- bis 25,000 Eier legt! Ist die Laichzeit vorbei, so vereinigen
sich die nach und nach angekommenen Züge wieder, gewöhnlich im Sep-
tember, um nun in einem gedrängten Haufen quer durch den atlantischen
Ocean nach Amerika zu wandern, wo sie auch zu einer bestimmten Zeit
ankommen. Ende April treten sie dann an den Küsten Nordamerikas ihre
Heimreise wieder an. Aber gewaltig sind ihre Reihen gelichtet. Millionen
sehen die Heimath nicht wieder, und längst würde das nördliche Eismeer
von seinen Bewohnern entvölkert sein, wenn die in der Fremde geborenen
Nachkommen nicht alsbald das Land ihrer Väter aufsuchten.
Auf demselben Wege, den die Alten einschlugen, kommen auch sie an,
und bei der geringen Größe, die sie auf ihrer ersten Wanderung noch haben,
entgehen sie meistens den Nachstellungen ihrer Feinde. Der Mensch ist es
aber nicht allein, der dem Häringe nachstellt; auch das größte aller Thiere,
der Walfisch, macht Jagd auf ihn. Mit wilder Lust verfolgt er das
geängstigte Thier, wenn es die unwirthliche Heimath verläßt, lind jagt es
in die bewohnten Buchten hinein, als hätte er mit den Menschen ein
Bündniß geschlossen. Sein Niesenleib ist mit kleinen Portionen nicht
zufrieden, und nicht unbedeutend mag die Zahl der Häringe sein, die sein
Schlund alljährlich verschluckt.
So vielen und großen Feinden gegenüber hat dieser Fisch allein seine
Vermehrungskraft, die sein Geschlecht von Jahrhundert zu Jahrhundert
erhält, daß es nicht ausstirbt, wenn auch Millionen zu Grunde gehen —
Sein Fang und Verkauf beschäftigt in Holland über 200,000 Menschen und
verschafft diesem Lande jährlich eine Einnahme von vielen Millionen Thalern
Der Erste, welcher die Kunst geübt haben soll, mit Salz diesen Fisch
zu erhalten, war ein Niederländer, mit Namen Beukel. Es wird erzählt
daß Kaiser Carl V. diesem Manne zu Ehren auf dessen Grabe einen Härina
verzehrt habe.
*Die Schnecke.
Kaum hat der Frühlingsregen den Boden befeuchtet, so kriechen allent-
halben Schnecken. Hier am Zaune entlang wandern fingerlange Nacht-
Ichnecken, schwarz oder gelb, und lassen einen weißen Streifen Schleim
hinter sich. Dort an dem blühenden Schwarzdorn hinauf an der Buche
empor, die eben ihre Knospen öffnet und ihre hellgrünen Blätter in die
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Carl_V.
Extrahierte Ortsnamen: Nordsee Amerika Nordamerikas Holland
4
Geschichte.
Heilkunde; — wenn er die Flocken der Schafwolle in Sturm und
Nässe sich zusammendrehen und dadurch an Festigkeit gewinnen
sah, so kam er vielleicht ans Spinnen und Weben.
Aber das unstäte Leben verursachte, daß er in jeder Gegend
ein Fremdling blieb; machte er ja Erfindungen, so waren seine
Genossen viel zu entfernt, um dieselben kennen zu lernen; die
gegenseitige Hilfsleistung, welche die Ackerbauer verbindet, blieb
ihm fremd, und Zank und Streit um Weideplätze waren nicht
selten. Jeder war frei und unabhängig, nur dem Oberhaupte,
dem Aeltesten des Stammes, gehorchte er; dieser ist der König,
und die Bibel zeigt uns die anmuthigsten Bilder des Hirtenlebens
in Abraham, Isaak und Jakob.
Jnnner weiter gehende Wanderungen führten manche Men-
schen in Gegenden, die weder zum Ackerbau noch zur Viehzucht
taugten. Große, endlos scheinende, unfruchtbare, wasserlose Step-
pen waren unter unsäglichen Beschwerden durchzogen, sie grenzten
an ungeheure, dichte Wälder, worin zahllose kleine und große
Thiere hausten. Umkehr war unmöglich — da griff der Mensch,
durch die Noth kühn und erfinderisch gemacht, zur Waffe, und
wurde ein Jäger. Das rohe Fleisch des erlegten Thieres stillte
seinen Hunger, die abgezogene Haut bekleidete ihn. Er suchte
seine Waffe zu verbessern, und sann auf allerlei List; lauerte im
Hinterhalte, lief über Berg und Thal, wohnte in Höhlen und
Klüften, wie sie die Natur bot. Bald scheuten ihn die Thiere
und flohen seine Nähe, er mußte ihnen folgen, und er that es.
Darum baute er keine Hütte, schlug kein Zelt auf; stilles
Familienglück, geselliges Zusammenleben kannte er nicht, es war
ihm nur hinderlich; mußte doch der erwachsene Sohn sein eigenes
Jagdgebiet aufsuchen, und sich von den Seinen trennen, oft aus
Nimmerwiedersehen.
Wie der Jäger Herrscher über die Thierwelt war, so wollte
er über Menschen gebieten, die sich ihm ja näherten;-^wie er
hart und herzlos gegen die Geschöpfe des Waldes war, so war
er es gegen seine Nebenmenschen. Bei reicherem Fange unmäßig,
zu den großen Anstrengungen Stärkung und Aufregung suchend,
kannte er nur rauhe, ungestüme Vergnügungen, und eine allmä-
lige Verwilderung war die Folge.
Unter den Volksstämmen wurden die zuerst groß, bei welchen
der Ackerbau die Quelle des Unterhaltes war. Schon oben wurde
gesagt, daß bei ihnen auch die ersten Begriffe von Recht vorkamen.
Wollten Alle bestehen, so durfte nicht jeder nur sein Bestes wollen,
sondern er mußte darauf achten, daß dadurch dem Nachbar ^und
Genossen kein Schaden erwuchs. So entstand nach und nach Her-
kommen, Sitte, Gesetz, und danach mußten alle Bewohner eines
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Abraham Isaak Isaak Jakob
Die ersten Menschen.
5
Ortes, eines Landes leben; den Uebertreter strafte man, oder
übertrug das Richteramt Einem, der sich durch Erfahrung und
Rechtschaffenheit auszeichnete. Oft war der älteste des Stammes
das Oberhaupt desselben, wie es der Vater in der Familie ist.
Abimelech, einer der Könige aus der ältesten Zeit heißt: „Mein
Vaterkönig." Besonders weise und gerechte Könige wurden auf-
gefordert, neue Gesetze nach ihrer Einsicht zu geben, wenn die
alten nicht mehr ausreichten; den Sohn eines solchen wählte
man schon deswegen gern, weil man glaubte, daß er das
schwierige Geschäft durch steten Umgang mit dem Vater genau
kennen lernte, und bald war es Herkommen, dann Gesetz,
daß der Sohn dem Vater folgte, das Königthum erbte.
Doch waren diese Königreiche nicht mit unsern Staaten zu
vergleichen; oft bestand ein solches nur aus einem Dorfe oder
einer Stadt. In dem Thale, wo einst Sodoma stand, herrsch-
ten fünf Könige und Abraham schlug sie mit 318 Knechten,
um seinen Verwandten Lot zu befreien.
Nicht so friedlich entstanden andere Königreiche. Der rohe,
gewaltige Jäger, furchtbar mit Thierhäuten behängen, den Bogen
in der einen, die Keule in der andern Faust, drang in die fried-
lichen Wohnungen des Ackersmannes, und nahm ihm die Früchte
seines Fleißes. Um nicht alles zu verlieren, unterwarfen sich die
Schwächeren dem Stärkern, und er wurde ihr Herr. Oder sie
gingen hin und baten ihn, sie von den raubgierigen Thieren des
Waldes zu befreien, und erkannten ihn aus Dankbarkeit als ihr
Oberhaupt an; andere schlossen sich freiwillig an, oder gewaltige,
herrschsüchtige Könige unterjochten sie und vergrößerten ihr Reich.
Das Geschäft des Regierens nahm bald die ganze Zeit des Königs
in Anspruch, das Volk versorgte ihn, der ja selbst nichts erwerben
konnte, mit Lebensmitteln, und brachte reiche Geschenke; daraus
entstanden regelmäßige und gesetzliche Abgaben der Unterthanen.
War dev-König bei größerer Ausdehnung des Reiches nicht mehr
^im Stande, alles allein zu besorgen, so wählte er sich Gehilfen
und Stellvertreter.
Zu den ältesten Völkern in Asien und Afrika gehören die
Aegypter, Israeliten, Phönicier, Babylonier, Assyrer und Meder.
/ Ätgypter.
Dieses Volk bewohnte denjenigen Theil von Afrika, der sich
an den Küsten des rothen Meeres bis zu dem mittelländischen
hinzieht. Der Nil durchströmt das Land der Länge nach, über-
schwemmt es regelmäßig und macht es mit seinem Schlamme
fruchtbar. Im Alterthume, wo die Ufer dieses Flusses noch
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Abraham
Extrahierte Ortsnamen: Asien Afrika Afrika Alterthume
Innerer Zustand Roms. Julius Cäsar.
41
gleichen Wlle sind in Rom vorgekommen, daß förmliche Gefechte
zwischen den Klienten zweier Parteien geliefert wurden. In den
letzten Zeiten der Republik entstanden häufige Bürgerkriege.
Römer zogen gegen Römer, und bald lagen in den -Straßen
der Stadt Tausende von Leichen. So ließ sich das Volk zu
allen Schandthaten mißbrauchen, und jeder Wohlgesinnte mußte
wünschen, daß ein weiser und kräftiger Mann erschiene, der dem
gemeinen Haufen die Macht entreißen, die Herrschsüchtigen ein-
schränken und die Regierung des ganzen Staates übernehmen
möchte. Julius Cäsar, einer der größten römischen Feld-
herrn und von außerordentlichem Verstände, wäre dieser Mann
gewesen, wenn er weniger Ehrgeiz besessen hätte.
Cäsar verlor früh seinen Vater; die Mutter aber, eine treff-
liche Frau, besorgte seine Erziehung und ließ ihn von den geschick-
testen Lehrern unterrichten. Besonders lernte er von ihr die
Freundlichkeit im Umgänge, wodurch er sich nachher so beliebt zu
machen wußte. Sein Sinn war auf Ruhm und außerordentliche
Thaten gerichtet. Den größten Theil seines Vermögens verschenkte
er an Bürger, die ihm in der Ausführung seiner geheimen Pläne
behilflich sein konnten. Das erste obrigkeitliche Amt erhielt er in ,
Lusitanien, dem heutigen Portugal. Als er nach rühm- ‘
licher Verwaltung desselben zurückgekehrt war, stieg sein Ansehen
immer mehr. Einige Jahre später ging er als Statthalter nach/^-/
Spanien. Dort zeigte er sich zuerst als Feldherr und erwarb
sich Ehre und Schätze. Jetzt wurde er in Rom herrischer, und
die andern Gewalthaber sahen staunend, wie er das Volk nach
seinem Willen lenkte. Pompejus, sonst der berühmteste Römer,
Krassus, der reichste, dem fast alle Bürger Geld schuldig
waren, wurden von Cäsar überflügelt. Wollten also beide ihr
Ansehen erhalten, so mußten sie sich mit ihm verbinden. Das
geschah, und ohne Volk und Rathsherrn weiter zu fragen, theilten
die drei Männer unter sich nach Belieben die römischen Länder.
Cäsar ging nach Frankreich, welches damals Gallien hieß, gewann
hier die Liebe eines geübten Heeres und durch neue Eroberungen
großen Ruhm. Indeß suchte Pompejus den Senat und das Volk
allmälig gegen Cäsar zu stimmen. Als dieser nach neun Jahren
auf Verlängerung der Statthalterschaft antrug, erhielt er den
Befehl, seine Soldaten zu entlassen und nach Rom zu kommen.
Aber statt zu gehorchen, führte er sein Heer gegen Rom, eroberte
damit in einigen Wochen ganz Italien und setzte nach Griechenland
über, wo bereits Pompejus sich gegen ihn gerüstet hatte. Diesen
überwand Cäsar; dann eilte er nach Aegypten, Asien und Spa-
nien, von einem Siege zum andern. In Rom ertheilte man ihm
die höchsten Würden eines Diktators und Konsuls, und so herrschte
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Octavianus Augustus.
43
umhangen mit den Fellen wilder Thiere, die sie erlegt hatten.
Durch das Leben in der freien Natur und die einfache Kost wurde
ihr Körper kräftig und groß. Nächst der Jagd war Krieg ihre
höchste Lust. Befand sich das Vaterland im Frieden, so zogen
sie wohl in ganzen Schaaren hinaus, fielen in die römischen
Besitzungen und suchten draußen Kampf und Beute.
Die Nachbarschaft eines solchen Volkes mußte wohl den
Römern sehr lästig fallen. Da schickte Augustus seinen Stiefsohn
Drusus nach Deutschland, und dieser drang sogar bis zur Elbe
vor; allein seine Züge waren keine Eroberungen. Die Deutschen
wichen in ihre Wälder zurück, brachen dann aber plötzlich aus dem
Dickicht hervor und überfielen in unwegsamen Gegenden die ermü-
deten Feinde. So wurde das Verlorene schnell wieder erobert.
Als die Römer späterhin ihre Sprache, Gesetze und Sitten den
Deutschen aufdringen wollten, fanden sie um so heftigern Wider-
stand. Während der Konsul Var ns mit solchen Plänen umging,
stand ein junger Fürst, aus dem Volke der Cherusker am Harz,
als Retter deutscher Freiheit auf. Es war Hermann oder
Arminius, wie ihn die Römer nannten. Seinem wohlüber-
legten Entschlüsse folgte rasche That. Um Varus vom Rhein weg
in das innere Deutschland zu locken, meldete man ihm, es sei ein
Aufstand unter den Völkern an der Weser ausgebrochen. Die
deutschen Oberhäupter, insgeheim Freunde des Hermann und mit
seinen Absichten bekannt, rathen dem Varus hinzuziehen und die
Empörung zu dämpfen. Sie selbst versprechen ihm, mit ihren
Völkern zu ihm zu stoßen. Der sorglose Varus geht in alle
Schlingen, welche ihm gelegt werden. Er bricht mit 40,000 Mann
auf und dringt in den teutoburger Wald. Nirgends findet er
gebahnte Wege, überall dichtverwachsenes Gehölz. Heftig herab-
strömender Regen, schlüpfriger, sumpfiger Boden hemmen die
Schritte seiner schwer bewaffneten Krieger. Fürchterliche Stürme
brausen in den Gipfeln der Bäume und vermehren den Schrecken.
Da verläßt Hermann den Hinterhalt, aus welchem er die Bewe-
gungen der Römer beobachtet hat. Auch die übrigen Fürsten lan-
gen mit ihren Völkern an; Varus wird von allen Seiten umringt.
Drei Tage und drei Nächte kämpfte der Ueberlistete mit seinen
ermatteten Soldaten gegen Feind und Ungewitter an; nirgends
erschien Rettung, nirgends Hilfe; da stürzte er sich aus Ver-
zweiflung in sein Schwert. Nur wenige Römer entkamen, fast
alle fielen von der Hand der Deutschen, i. I. 9 nach Christus.
Die Nachricht von dieser Niederlage verbreitete zu Rom
Furcht und Entsetzen. Augustus ließ sich Bart und Haare wachsen,
rannte wie ein Wahnsinniger mit dem Kopfe gegen die Wand und
rief: „Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!"
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Extrahierte Personennamen: Augustus Augustus Drusus Hermann Varus Hermann Varus Varus Hermann Varus Christus Augustus Varus
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Rhein Deutschland
46
Geschichte.
Titus, sein Sohn, hatte keine größere Freude, als Menschen
glücklich zu machen. Verlebte er einen Tag, an welchem er
Keinem eine Wohlthat erwiesen hatte, so sagte er: „Ich habe
einen Tag verloren!" — Im zweiten Jahrhundert gab es einige
treffliche Kaiser, als: Trajan, Hadrian, Antonlnus Pius,
Marcus Aurelius. Dann folgte eine Reihe meist abscheu-
licher Herrscher. Das Reich verfiel immer mehr. Von Norden
drängten deutsche Volksstämme heran. Die meisten der römischen
Kaiser, vom Jahre 180 an, waren Wüthriche, die mit den
unerhörtesten Gräueln ihre Regierung befleckten und unendlichen
Jammer über die Menschen brachten. Die Soldaten setzten
nach Gefallen Kaiser ein und ab und tödteten die wenigen bessern,
welche es versuchten, dib Ordnung wieder herzustellen. In
dieser allgemeinen Noth mnd Verwirrung bereitete die göttliche
Vorsehung den Menschen eine bessere Zeit vor durch die feste
Begründung des Christenthums unter dem Kaiser
Konstantin und durch die bald darauf erfolgte Völker-
wanderung.
Konstantin war der erste römische Kaiser, der im Jahre
311 öffentlich als Beschützerder Christen auftrat. Er
begünstigte und besoldete ihre Lehrer, ließ sich und die Seinigen
im christlichen Glauben unterrichten, hielt viele Christen in seiner
Nähe und ging mit ihnen vertraulich um. Es wurden Kirchen
gebaut und herrlich ausgeschmückt.
Wie glücklich mußten sich jetzt die Christen nach so langen
Verfolgungen fühlen, in Konstantin einen wohlwollenden Freund
zu besitzen! Freudig strömten sie von allen «Leiten herbei und
nahmen Dienste in seinem Heere. Wohl mochte Konstantin auch
vorausgesehen haben, wie viel ihm die zahlreichen Christen bei
den Kämpfen gegen seine Mitherrscher helfen könnten. Als er
nämlich die Regierung antrat, hatte er deren fünf. Mit dem
Beistände der Christen stürzte er einen nach dem andern. In
den Heereszügen, wo sonst Adler und Götzenbilder vorangetragen
wurden, wehete von nun an die Fahne des Kreuzes
und führte von Sieg zu Sieg. Nach siebzehnjährigen blutigen
Kriegen war Konstantin der alleinige Beherrscher des Reichs.
Wie viele Christen schon zu seiner Zeit lebten, beweiset die
Kirchenversammlung zuikicäa, hei welcher nicht weniger
als 318 Bischöfe erschienen. •
Konstantin verbot zuletzt das Opfern m den heidnischen
Tempeln ganz und machte sich dadurch die Priester zu Feinden.
Das mochte wohl mit die Ursache sein, weswegen er seinen
Sitz nach Byzanz verlegte. Auch lag diese Stadt mehr in der
Mitte des Reichs. Hier ließ er schöne Kirchen, Paläste und
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
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Extrahierte Personennamen: Hadrian Marcus_Aurelius Konstantin Konstantin Konstantin Konstantin Konstantin
22
Geschichte.
er sich, seine Gedanken schön und richtig auszudrücken, so daß er
einst als Mann in der Volksversammlung den Mitbürgern eine
Sache klar und verständlich machen, und sie dafür stimmen, oder
davon abbringen könnte. Die athenischen Jünglinge machten sich
deshalb mit den Schriften ihrer Dichter und berühmten Redner
genau bekannt. Der Ton ihrer Umgangssprache war anständig
und leicht, heiter und witzig. Der Sinn für Schönheit fand sich
allgemein verbreitet. Dahin wirkten nun die Gesetze Solons,
welche Weiser, milder und menschenfreundlicher waren, als die
des Lykurg. Sie verhinderten eine einseitige, schiefe Richtung
und förderten die allgemeine Verstandes- und Gemüthsbildung.
Athen war reich an Schätzen aller Art, aber seine größten bestan-
den in geistvollen und edlen Männern.
Kriege der Griechen mit den Persern. — Miltiades.
Themistökles. Ärifudes. * ■Vw’
Die Griechen in Kleinasien lebten unter der persischen
Regierung im Wohlstände, dessen ungeachtet empörten sie sich gegen
ihren Oberherrn Darlus, der sie jedoch schnell wieder unterwarf.
Von nun an behandelte er sie strenge. Sein Zorn fiel aber auch
auf die Athener, weil sie den Ausrührern mit einigen Schiffen
Hilfe leisteten. Um sie zu züchtigen, schickteer ein Landheer gegen
i<,n sie, das von einer Flotte begleitet war; allein jenes wurde von
den Thraziern überfallen, und diese durch Sturm fast ganz ver-
nichtet. Im folgenden Jahre kam Darius mit noch größerer
Macht. Viele griechische Inseln litten außerordentlich. Die Perser
landeten nicht weit von Athen und zogen gegen die Städte Die
bedrängten Athener sprachen die andern Griechen um Beistand
an, doch vergebens, nur die Platäer stellten tausend Mann. Klein
war freilich das Häufchen der Athener, kaum zehntausend, aber
fest entschlossen, für Freiheit und Vaterland alles zu wagen,
geübt in Kampfspielen, einig unter einander und voll Vertrauen
zu Miltiades, ihrem Anführer, dabei mit festen Rüstungen und
süchtigen Waffen versehen. Sie zogen dem Feinde einige Meilen
weit bis Marathon entgegen. Als sie hier die unabsehbaren
Schaaren der Perser erblickten, wurden sie wankend: allein Mil-
tiades feuerte sie zu neuem Muthe an, und gab das Zeichen zum
Angriffe. Der Kampf war wüthend; unaufhaltsam drangen die
Griechen siegreich vor, und drängten den Feind zurück. Da
geriethen die Perser in die Flucht; sie eilten in der größten
Verwirrung zu ihren Schiffen. Das ganze Lager mit allen Kost-
barkeiten fiel den Siegern zu. Noch lange nachher feierten die
Athener den glorreichen Tag. Vor allen ehrten sie ihren
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Das Christenthum in Deutschland. Bonifacius. 55
Die (Sbein (Ebelinge) kämpften wohl auch zu Pferbe (boch hatten
sie keine Sättel, die sie als Zeichen der Weichlichkeit verachteten) ;
im Augenblicke der Gefahr floh der Fußgänger, an der Mähne
des Pferbes sich haltend, aus dem Kampfe; kehrte aber, mit
neuem Muthe beseelt, bald zurück. Drohte dem Lande ein Feind,
so wurden die freien, wehrhaften Männer aller Gaue zu den
Waffen gerufen — das war der Heerbann ober die Landwehr.
Im Kampfe standen die einzelnen Gemeinden und Familien neben
einander, die Beute wurde unter alle gleich vertheilt, das beste
Stück war der Preis des Tapfersten, des Anführers, der im
Frieden wieder in die Reihe der übrigen zurücktrat, ohne einen
Vorzug zu genießen. Dem Zuge der Kämpfer folgten die Weiber
auf unzähligen Karren, die zugleich zur Deckung des Lagers, das
sie kreisförmig umgaben, dienten. Vor dem Angriffe ertönten
kriegerische Instrumente, Hörner von Auerochsen; die Schilde
wurden schrecklich dröhnend aneinander geschlagen, und mit einem
fürchterkchen Kriegsgeschrei begann der Angriff. Von der Wagen-
burg herab vernahm der Krieger der Kinder Geschrei, der Weiber
erweckenden Zuruf. — Arme kriegerische Jünglinge schloffen sich
an vornehmere, oder an den Vorsteher des Gaues, folgten ihm
in allen Zügen und waren ihm auf Leben und Tod verbunden.
Des Anführers Gefangennehmung oder Tod zu überleben, war
ein ewiger Schimpf. Der Anführer sorgte für Waffen und
Lebensunterhalt seines Gefolges, das einem stehenden Heere
vergleichbar war. Krieg mußte ihm daher stets erwünscht sein,
um von der gemachten Beute den Unterhalt des Gefolges bestreiten
zu können. Waltete in der Heimath Friede, so suchten sie draußen
Kampf und Beute, ja sie dienten wohl gar fremden Nationen,
wie den Römern zu Augustus Zeiten.
Als der römische Staat immer mehr zerfiel, das Volk immer
kraftloser ward, nahmen die Kaiser ganze deutsche Völkerschaften
in Sold, und diese setzten sich dann im römischen Gebiete fest,
und es entstanden so überall deutsche Reiche, wie das ostgothische
in Ungarn. Die Sueven wohnten in Portugal, in Spanien
und im südlichen Frankreich die Westgothen. Um die Rhone bis
in die Schweiz saßen die Burgunder, am Niederrhein die Franken,
an der Elbe zwischen Ost- und Nordsee die Sachsen, mit denen
die Friesen an der Nordseeküste in Verbindung standen. Mitten
in Deutschland, am Main und an der Saale, wohnten die
Thüringer, in Süddeutschland am Schwarzwalde die Allemannen,
ein mächtiger Bund verschiedener Stämme; unterhalb der Donau
bis an die Ems die Boher oder Bayern, durch den Lech von den
Allemannen getrennt. Italien hielt Odoaker mit Herulern und
Rugiern (früher in Pommern) besetzt; nach Britannien waren
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Extrahierte Personennamen: Bonifacius Augustus
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Ungarn Portugal Spanien Frankreich Westgothen Nordsee Sachsen Deutschland Main Schwarzwalde Donau Italien Pommern Britannien